FAQ

Wollten Sie schon immer Schriftstellerin werden?

Zwar habe ich schon mit zehn Jahren Geschichten und Gedichte geschrieben, aber der Berufswunsch „Schriftstellerin“ kam mir damals noch nicht in den Sinn. Nach dem Abi habe ich Töpferin gelernt und später eine eigene Töpferwerkstatt betrieben, aber das Schreiben blieb meine Lieblingsbeschäftigung.
Als ich anfing zu schreiben, war mein größter Wunsch ein gedrucktes Buch. Als das dann nach einigen Jahren endlich in meinen Händen lag, wünschte ich mir ein weiteres Buch, einen größeren Verlag für das nächste Buch. Als diese beiden Wünsche in Erfüllung gegangen waren, begann ich zu hoffen, eines Tages von meiner Arbeit leben zu können. Es war ein langer Weg, aber ich habe es geschafft. Seit 25 Jahren arbeite ich jetzt als freiberufliche Autorin und in dieser Zeit sind 20 Romane für Erwachsene und Jugendliche entstanden, die in Amerika, Thüringen und Schottland spielen. Viele meiner Bücher wurden in andere Sprachen übersetzt, einige ausgezeichnet. Schreiben bleibt eine Herausforderung, doch ich bin froh, dass es mich nie losgelassen hat. Für mich ist Schriftstellerin der schönste Beruf, den ich mir vorstellen kann.

Waren Sie selbst an den Orten, von denen Sie erzählen?

Ja. Ohne Schauplatz-Recherche kann ich nicht schreiben. Wissen aus zweiter Hand ist wichtig, unerlässlich ist für mich unmittelbares Wissen. Ich muss die Dinge selbst erfahren, denn Menschen prägen die Landschaft, aber die Landschaft prägt auch die Menschen. Der Ort des Geschehens ist für mich immer eine eigenständige Figur, er trägt die Atmosphäre, und ich stelle mir Fragen wie: Was ist das für ein Ort? Was steckt alles in ihm? Was macht die Menschen, die dort leben aus?
Meine Neugier, das „Es-genau-wissen-wollen“, hat mich Dinge tun lassen, die ich mir normalerweise nicht getraut hätte. Ich habe z.B. Jay, einen Navajo, in einem Wüstengefängnis in Arizona besucht. Habe der Exhumierung von Chief American Horse beigewohnt und seiner zweiten Beisetzung nach hundert Jahren. In Kanada bin ich mit einem Helikopter über den Moose River geflogen, dessen Eis im Frühling aufbrach, und ich war Gast bei einem Sonnentanz der Oglala Lakota in den Black Hills.
Bei einem schottischen Lord war ich in seiner uralten Burg zu Gast, wo es wie vor hundert Jahren aussah und überall hereinregnete. Auf der Insel Skye saß ich bei Annie und Peter, den Eltern von Danny MacAskill, einem berühmten Mountain Biker und Street Trials Rider in der Küche beim Abendessen, um ihren Geschichten zu lauschen.
Im Internet und in Fachbüchern finde ich, wonach ich suche. Im Gespräch und beim Erkunden vor Ort, finde ich das Unerwartete. In meinen Romanen versuche ich schreibend den Geist des Ortes zu ehren, der mich inspiriert hat.

Gibt es die Menschen, über die Sie schreiben? Und sind die Geschichten, die sie erzählen, tatsächlich passiert?

Viele Ereignisse, die in meinen Büchern vorkommen, sind tatsächlich passiert. Die Geschichten, die ich daraus webe, entspringen jedoch meiner Fantasie. Meine Figuren sind ausschließlich erdacht, auch wenn es vorkommen kann, dass die LeserInnen meinen, dieser oder jener Protagonist habe das Aussehen oder die Eigenschaften von jemandem, den sie kennen. Die Hintergründe meiner Romane sind Probleme, mit denen sich die Menschen am jeweiligen Schauplatz in der heutigen Zeit herumschlagen müssen.

Sind Ihre Charaktere von Anfang an so geplant, wie sie im Buch stehen?

Nein. Ich plane sehr wenig, bevor ich zu schreiben beginne. Ich möchte meine Figuren nicht von Anfang an einengen, sondern ihnen die Möglichkeit geben, sich zu entfalten, sich zu entwickeln. Vielleicht auch einmal in eine andere Richtung, als es zu Beginn angedacht war. Im Laufe des Schreibens ändere ich manchmal noch die Namen der ProtagonistInnen, wenn ich merke, die Figur ist zu jemandem geworden, zu dem der ursprüngliche Name nicht mehr passt. Mich von den Figuren überraschen zu lassen, ist mein Abenteuer beim Schreiben.

Gibt es Fortsetzungen von Ihren Büchern?

Nein, bisher jedenfalls nicht. Ich ahne: Ihr möchtet gerne wissen, wie es mit den beiden Helden weitergeht, ob sie sich „für immer“ kriegen. Aber im wahren Leben weiß man auch nie, wie es ausgeht. Da kann immer noch etwas Überraschendes kommen. Und so soll es auch mit den Figuren in meinen Geschichten sein: Was noch alles Überraschendes kommt für sie, weiß nicht einmal ich. Am Ende des Buches gebe ich ihnen die Freiheit, selbst zu entscheiden. Nun ist eure Fantasie gefragt …

Woher haben Sie Ihr Tier- und Naturwissen?

Schon als Kind war ich lieber im Wald unterwegs, als die Schulbank zu drücken. Mein Vater hat mir viel über einheimische Tiere und Pflanzen beigebracht, deshalb bin ich ohne Angst vor Spinnen, Schlangen, Mäusen und Füchsen aufgewachsen.
Während meiner Reisen durch die Wildnis Amerikas, hatte ich Begegnungen mit Büffeln, wilden Pferden, Klapperschlangen, Wapitis, Elchen, Eulen und Kojoten – und habe mich nicht vor ihnen gefürchtet (nur manchmal ein bisschen).
Die Natur und ihr Erhalt war von Anfang an ein wichtiges Thema meiner Geschichten, und es wird im Zeichen der Erderwärmung und des Artensterbens immer relevanter für mich. Auch in Zukunft wird es keinen Roman ohne dieses Thema von mir geben.

Wird es weitere Romane über das Leben der indigenen Völker Amerikas geben?

Von meinem Großvater bekam ich Bücher geschenkt, die über andere Kulturen erzählten, und am meisten faszinierte mich die Welt der Ureinwohner Amerikas. Ich verschlang alles, was es in der DDR über sie zu lesen gab, und weil mir das nicht genug war, begann ich mit vierzehn meine eigenen Geschichten zu schreiben. Nach der Wende flog ich nach Amerika, bereiste verschiedene Reservate und tauchte ein in die Welt der Navajo, Lakota, Quileute, Maka, Hopi, Pueblo und Cree. Die Geschichten kamen zu mir, wollten erzählt werden, und ich bekam Zuspruch von Stammesangehörigen, die es für wichtig hielten, dass Jugendliche in Deutschland vom Leben der jungen Indigenen erfahren. Im Laufen von 20 Jahren entstanden 10 Jugendromane und 5 Belletristik-Romane über das Leben der Ureinwohner Amerikas und Kanadas. In dieser Zeit habe ich viele offene Herzen und Stimmen gefunden.
Noch immer ist mein Herz tief verbunden mit dem Schicksal der Ureinwohner Amerikas. Ich habe Freunde und Bekannte dort. Doch nach der großen Debatte um Kulturelle Aneignung, halte ich es nicht mehr für realistisch, aus der Sicht einer deutschen Autorin über die Kultur der Indigenen zu schreiben. Zumal es, auch im Bereich Jugendliteratur, großartige indigene Autoren und Autorinnen gibt, die ihre Geschichte viel authentischer erzählen können.
Es war mein Leben, ist eine Art Lebenswerk, aber ich habe mich – wenn auch schweren Herzens – schreibend vom Indianerland verabschiedet.

Darf man noch „Indianer“ sagen?

Vermutlich wird der Begriff auch weiterhin in Gebrauch bleiben, weil es noch immer Menschen gibt, die ihr ganzes Leben lang Indianer genannt wurden und sich selbst so nennen. Wer mag schon mit einem Ältesten oder Veteranen streiten, der seinem Volk und diesem Land als Indianer gedient hat und immer noch als solcher bekannt sein möchte? Viele Indianer sagen, wenn sie sich im Gespräch auf sich und ihre Angehörigen beziehen, einfach “we Indians” und haben sich noch nie daran gestört, wenn andere das respektvoll ebenso tun.
Aus einer Stellungnahme der Native Times:

„Als indianische Zeitung müssen wir sehr darauf achten, dass wir uns unseren Namen nicht von den weißen Medien vorschreiben lassen. Wir sind seit ein paar hundert Jahren Indianer und der Name trägt unsere Geschichte. Crazy Horse, Sitting Bull und Little Wound (lesen Sie ihre Zitate) nannten sich alle “Indianer”, und sie sagten es mit Stolz. Sollten wir sie entehren, indem wir sagen, dass sie im Unrecht waren?“

In meinen Jugendromanen hat der Arena-Verlag einen Disclaimer mit folgendem Wortlaut abgedruckt:

Zum Wort „Indianer“: Bei dem Begriff handelt es sich um eine koloniale Fremdbezeichnung, denn die etwa fünfhundert indigenen Gruppen, die in den USA leben, haben sich nie als Einheit verstanden und daher keine Selbstbezeichnung entwickelt. Während das Wort von jüngeren Zugehörigen oft kritisch gesehen wird, verbindet die ältere Generation damit den Stolz auf die eigene Geschichte. In den USA ist es außerdem üblich, „Native American“, „Indigenous People“ oder „American Indian“ zu sagen. Die meisten möchten nach dem Namen ihrer Gruppe bezeichnet werden, z. B. Sioux, Dakota usw. Im Roman wird der Begriff „Indianer“ verwendet. Bei ihren intensiven Recherchen wurde der Autorin von Seiten der Zugehörigen versichert, dass es bei der Bedeutung des Wortes immer auf den Kontext und die Art ankommt, wie es benutzt wird.

Ich denke, wir sollten die Menschen, egal wo, so nennen, wie sie genannt werden möchten, und nicht in unserer Welt darüber streiten. Machen wir einen Fehler, was immer wieder passieren kann, können wir darum bitten, berichtigt zu werden.

Was ist das Beste und was das Schlechteste an Ihrem Beruf?

Es gibt unglaublich viel Schönes an diesem Beruf. Schreibend kann ich etwas schaffen, dass es vorher nicht gab und dabei meinen eigenen Gedanken auf die Spur kommen. Ich kann Figuren lebendig werden lassen und ihre Welten gestalten, kann ihre Abenteuer, ihre Freude, ihren Frust, ihre Trauer miterleben. Es findet also eine Art Alchemie statt, obwohl ich ausschließlich realistischen Romane schreibe.
Bei den Recherchen zu meinen Romanen begegne ich interessanten Menschen, stoße auf Entgegenkommen und Ablehnung, und muss mit Letzterem zurechtkommen.
Oft beschäftige ich mich mit Dingen, Lebensbereichen und Denkweisen, von denen ich nicht vermutet hätte, dass sie einmal bedeutend für mich sein könnten.
Meine Arbeit ist eine Leidenschaft, die mich pausenlos beschäftigt. Ich arbeite zu Hause und
eine Trennung von Lebens- und Arbeitszeit gibt es nicht. Das gehört zu den weniger angenehmen Seiten, denn bin ich im Schreiben, verpasse ich viel von dem, was um mich herum vorgeht. Oft gerate ich durch eine Deadline unter Zeitdruck, und dann bleiben Familie, Freunde und das wirkliche Leben auf der Strecke.
Das gilt es zu verbessern, zumal ich bald zum zweiten Mal Oma werde.

Mit herzlichen Grüßen, eure Antje